Polizei im Großeinsatz gegen Spaziergänge einiger weniger
Gegenargumente, die die geringe Wahrscheinlichkeit anführen, dass ein Mensch sich im Freien mit dem Virus infiziert, insbesondere im Gehen, zählen bei diesem Verbot offenbar nicht. Ob wahrscheinlich oder nicht, die Stadt ist besorgt um die Aufrechterhaltung des Gesundheitswesens. Obwohl derzeit im gesamten Bundesland weniger als einhundert „Covid-19-Patienten“ auf der Intensivstation liegen. Sie machen damit 8,5 Prozent aller Intensivpatienten in Rheinland-Pfalz aus.
Die Spaziergänger wollen sich von derlei Verboten nicht aufhalten lassen und führten am Samstag, dem 15. Januar, einen unangemeldeten Spaziergang durch. Die Polizei teilte am Abend danach mit: „Es wurden zahlreiche Verstöße gegen das Versammlungsverbot festgestellt, Ordnungswidrigkeiten zur Anzeige gebracht und Platzverweise ausgesprochen.“ Was hier so nüchtern klingt, hat einige sehr unschöne Szenen in Begleitung gehabt. Viele Teilnehmer wurden von der Polizei eingekesselt. Bei einem versuchten Durchbruch kam es zu Handgreiflichkeiten durch die Polizei und zum Einsatz von Schlagstöcken.
Dieses harte Durchgreifen zeigte offenbar Wirkung. Viele der Teilnehmer waren verängstigt. Somit war der für den darauf folgenden Montag, 17. Januar, geplante Spaziergang nicht realisierbar. Nur einige wenige Menschen wagten sich auf die Straße. Die Polizei Koblenz ließ es sich dennoch nicht nehmen, die „Kleingruppen“, wie sie sie nannte, zu beobachten (sogar per Hubschrauber) und eine rund 20-köpfige Gruppe am Friedrich-Ebert-Ring festzusetzen. Dazu rückte sie mit etwa 35 Mannschaftswagen mit eingeschaltetem Blaulicht und Sirene und 50 bis 70 Polizeibediensteten (das Polizeipräsidium war nicht bereit, Informationen über Stärke und Zusammensetzung der polizeilichen Einsatzkräfte herauszugeben) an. Mit voller Montur sprangen die Einsatzkräfte direkt aus den Bussen den dort gehenden Bürgern entgegen und hinderten sie somit an der Fortsetzung ihres Weges. Auf dem Bürgersteig erfolgte sodann die Feststellung der „Verstöße gegen die Allgemeinverfügung der Stadt Koblenz sowie der Corona-Bekämpfungsverordnung“. Zur Einleitung eines Bußgeldverfahrens wurden die Personalien festgestellt und Platzverweise für die Betroffenen erteilt.
Was für die Polizei vielleicht eine gute Übung für eine Großdemo war, wurde von den Bürgern, die von den Einsatzkräften aufgegriffen wurden, als extrem beängstigend, belastend und demütigend empfunden. Unter dem Vorwurf, an einer verbotenen Versammlung teilgenommen zu haben, wurden bei denen, die keinen Personalausweis vorzeigen konnten, sogar Leibesvisitationen durchgeführt auf der Suche nach eben diesem Dokument. Die Betroffenen mussten sich auf der Straße für die Durchsuchung zum Teil ihrer Jacken und Pullover entledigen. Trotz der Kälte. Ihre Taschen und Rucksäcke wurden entleert, der Inhalt durchsucht.
Teilnehmer N. spricht von einer „neuen Qualität der Erniedrigung“ und einer völlig unverhältnismäßigen Maßnahme. Er habe sich wie ein Terrorist gefühlt bzw. ein auf frischer Tat ertappter Verbrecher und nicht wie ein Bürger, der abends mit Freunden unterwegs ist. N. war bisher bei fast jedem Spaziergang in Koblenz dabei und hat seit 2020 schon in verschiedenen Städten an Demonstrationen gegen die staatlich angeordneten Anti-Corona-Maßnahmen teilgenommen. Er will damit Zeichen setzen, wahrgenommen werden als Mensch, der mit der Corona-Politik ganz und gar nicht einverstanden ist. Es sei wohltuend und bestärkend, die Dynamik zu spüren, die bei diesen Zusammenkünften mit vielen Gleichdenkenden entstehe.
Trotz der für ihn schrecklichen Erfahrung am vergangenen Montag will N. unbeugsam bleiben, weil er sich das freie Leben nicht verbieten lassen will. Seinen Mitstreitern macht er Mut: „Bleibt standhaft und lasst euch nicht einschüchtern durch die Repressalien der Politik und ihrer Helfershelfer!“Ähnlich sieht es T., die als Passantin Teil der festgesetzten Gruppe war. „Wir wurden blitzartig, wie aus heiterem Himmel, eingekesselt und zudem unter Einsatz von blendenden Scheinwerfern gefilmt.“ Sie sei nur unterwegs gewesen, um schnell etwas einzukaufen, weshalb sie auch keinen Personalausweis mit sich führte. Dennoch musste auch sie ihre Personalien angeben und wurde gleich dreimal nach ihrem Impfstatus gefragt. Das empört sie besonders, denn die Frage sei doch sehr persönlich und habe gar nichts in dieser Situation zu suchen. Sie habe sich ihrer Freiheit beraubt gefühlt, da alle Wege von der Polizei abgesperrt waren.
Aber ja, auch sie sei schon mit Gleichgesinnten, die den Corona-Maßnahmen kritisch gegenüberstehen, auf Spaziergängen unterwegs gewesen. Sie hoffe damit, andere Menschen zum Nachdenken über die Situation anzuregen. Politiker und weitere Verantwortliche konnten damit allerdings bisher nicht erreicht werden, räumt sie ein. Ihrer Meinung nach trifft die Polizisten, die die Maßnahme durchführten, eine besondere Schuld, da ihr Vorgehen unverhältnismäßig hart war. Wirklich jeder habe sehen können, dass weder von ihr noch von den Menschen um sie herum irgendeine Gefahr ausging. Von einer Versammlung könne man sowieso nicht sprechen.
Krankenschwester
U. war an diesem Tag in einer kleinen Gruppe unterwegs, die am
Florinsmarkt von etwa dreißig Polizisten mit zunehmender, scheinbar
aus allen Richtungen hinzu strömender Verstärkung eingekesselt
wurde. Die wenigen, die sich nicht schon abgesetzt hatten, wurden für
ungefähr eine Stunde lang zur Personalienaufnahme festgehalten. Bei
der Gelegenheit stellte U. den Ordnungshütern etliche Fragen. Zum
Beispiel wollte sie erkunden, wie ihre Haltung ist zur Ausführung
von Befehlen im Rahmen der Spaziergänge, die gegen die
Corona-Politik gerichtet sind. Zusätzlich fragte sie danach, warum
die Polizei nicht auf der Seite der friedlich Protestierenden stehe,
ob sie nicht eigentlich zum Schutz der Bürger
da sein sollte. Antworten erhielt sie nicht. Sie hatte den Eindruck,
die Einsatzkräfte wichen ihrem Blick aus und schauten vor Scham weg.
Der Montag ist abgehakt, und U. will weiterhin auf
die Straße. Denn ihr ist es wichtig, dass ihre Kinder und Enkel in
einem freien Land leben können. Rund dreißigmal war sie schon bei
Kundgebungen und Spaziergängen dabei, um gegen die Corona-Maßnahmen
und eine Impfpflicht zu protestieren. Sie stellt fest, dass sich
neuerdings immer mehr junge und sogar gegen das Virus geimpfte
Personen anschließen. Allen Teilnehmern von Protestaktionen rät
sie, stets ruhig und sachlich zu bleiben, nicht nur der Polizei
gegenüber.
Wie die meisten "Spaziergängern" geht auch U. für Frieden, Freiheit und Demokratie auf die Straße. Er war am Montag in Koblenz unterwegs und gehörte zum Kreis der festgesetzten Personen am Friedrich-Ebert-Ring. Man sieht ihn in einem Video, in dem er den Einsatzkräften lauthals zuruft, dass es ihr Auftrag sei, die Demokratie zu schützen und nicht freie Bürger am Spaziergang zu hindern. Man merkt ihm seine Empörung an. Er habe keine Angst vor der Polizei, sagt er. Aber er habe Angst vor einer Zukunft ohne Freiheit. Die Arbeit der Polizei lobt er jedoch überwiegend. „Die Polizei, die uns noch vor wenigen Tagen jede Woche zweimal durch die Stadt geführt hat und äußerst korrekt gewesen ist, ist noch die gleiche. Ihr Auftrag hat sich aber geändert und deshalb stehen sie uns jetzt gegenüber und nicht mehr an unserer Seite.“ Dennoch müsse die Hand in Richtung Polizei ausgestreckt bleiben, ist er überzeugt.
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